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  • AutorenbildConstanze Vogt

Tränen (im Business) lügen nicht

Ich begleite nun schon seit vielen Jahren erfolgreiche Frauen auf ihrem Weg. Eine überwältigende Mehrheit von ihnen bat und bittet mich darum, ihnen dabei zu helfen, dass sie in Diskussionen mit Chef*innen und Kolleg*innen "nicht mehr so emotional" reagieren. Auf die Frage, was denn das Schlimme daran sei, kommt dann oft so etwas wie:


Das Schlimmste ist, wenn ich vor der anderen Person heule!


Anderen, mit denen man gerade diskutiert, denen man die Stirn bieten will, von denen man als starke und rationale Persönlichkeit wahrgenommen werden will, die eigenen Tränen zu zeigen, ist oft mit Gefühlen der Scham, des Versagens und der Schwäche verbunden. Dabei ist es wissenschaftlich gut belegt, dass das Weinen in bestimmten Situationen gar nicht kontrollierbar ist, ähnlich wie Niesen. Das Verhältnis der Hormone Prolaktin und Testosteron scheint dabei eine wesentliche Rolle zu spielen.* Es nützt also nichts, die Tränen zu verdammen, denn das wird nicht helfen.


Angenommen also die Menge und Häufigkeit der vergossenen Tränen lassen sich nicht steuern, was muss sich dann verändern? Jetzt liegt es nahe, die eigenen Zuschreibungen zum Weinen zu hinterfragen. Dabei höre ich oft Sätze wie:

"Das ist kindlich."

"Das ist weibisch."

"Männer machen das ja auch nicht."

Und spätestens hier wird klar, welches misogyne Bild dahintersteckt. Nicht die Tränen an sich sind das Problem, sondern dass sie als unmännlich und damit als inkompetent gemarkt sind. Sich für die eigenen Tränen zu schämen, zahlt auf dieses misogyne Bild ein. Dabei ist der Schluss, dass die Sichtbarkeit von Emotionen per se schädlich ist, schlicht falsch, unbelegt und überholt.

Was also tun, wenn in der nächsten hitzigen Diskussion die Augen wieder voll Wasser laufen? Gelassen bleiben. Und ggf. direkt darauf ansprechen: "Das ist bei mir so, aber es soll dich nicht irritieren. Ich will das jetzt klären."


Die Führungsetagen dieser Welt sind immer noch mit zu wenig Frauen besetzt. Viele meiner Klientinnen zweifeln daran, ob sie an der richtigen Stelle sind. Dass sie es eben doch sind, zeigt sich aber nicht daran, wie oft oder viel sie weinen. Es zeigt sich vielmehr daran, ob Tränen im Business ein Anlass für Scham, Erniedrigung oder Abwertung sind. Oder ob der Umgang mit Tränen schlicht selbstverständlicher wird, Diskussionen auch mit Tränen sachlich weitergeführt werden können und ob es einfach nicht mehr der Rede wert ist.


PS: Und natürlich weinen Männer auch. Mit und ohne Tränen.

* Quellen:

https://www.zentrum-psychische-gesundheit.at/artikel/Lachen%20und%20Weinen.pdf

https://www.apa.org/monitor/2014/02/cry



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