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  • AutorenbildConstanze Vogt

Interview mit Cosma Dujat

Aktualisiert: 18. Dez. 2019

Cosma Dujat ist Schauspielerin und Schauspielcoach. Im Interview spricht sie über die Verbindung von Schauspiel und Psychologie, warum sie kein Fan von Method-Acting ist und welche Serie sie gerne schaut. Sie lebt mit ihrer Frau in Hamburg.


Constanze Vogt: Cosma, wie bist du zum Schauspielcoaching gekommen?


Cosma Dujat: Ursprünglich habe ich eine klassische Schauspielausbildung gemacht. Allerdings war mir schnell klar, dass ich nicht nur Theaterspielen will bis ich sterbe und habe deswegen direkt nach der Ausbildung noch einige weitere Ausbildungen gemacht. Dabei bin ich auf eine Schauspielmethode gestoßen von Ivana Chubbuck, eine Schauspieltrainerin aus den USA, die sehr psychologisch arbeitet. Darin gibt es z.B. eine Übung, in der du als Schauspieler oder Schauspielerin echte Angst empfinden kannst. Ich habe mir gedacht: Also wenn es funktioniert, dass man für Schauspieler Gefühle erzeugen kann, die nicht da sind, dann muss es doch auch andersherum funktionieren können. Also dann muss es doch auch für Nicht-Schauspieler möglich sein, wenn sie z.B Angst haben, dieses Tool quasi umzukehren, sodass sie die Angst auch wieder ablegen können. Und das war meine zunächst mal naive Vorstellung: Schauspieltools auch für Nicht-Schauspieler zu nutzen, um mit ihren inneren Zuständen zu arbeiten.


Constanze Vogt: Das heißt, du arbeitest vor allem mit Nicht-Schauspieler*innen?


Cosma Dujat: Ich arbeite sowohl mit Schauspielern als auch mit Nicht-Schauspielern. Also mit den Schauspielerinnen und Schauspielern mache ich vor allem Camera-Acting. Die Klienten kommen zu mir, um mit mir ihre Rolle vorzubereiten. Am Set gibt es eigentlich nie die Zeit, das groß zu proben. Da muss man schon mit einem guten Angebot hinkommen.

Und bei den Nicht-Schauspielern, mit denen ich arbeite, geht es auch tatsächlich viel um Themen wie Redeangst, Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche, Präsentationen etc. Und dafür nutze ich auch Methoden aus dem Schauspieltraining, so wie Atemtraining, Stimmtraining usw.


Constanze Vogt: Und auch über die Methode zu echter Angst?


Cosma Dujat: Ja, also das ist diese Methode von Ivana Chubbuck. Es handelt sich um ein 12-Schritt-Programm, mit dem du dir quasi deine Figur baust. Das fängt bei der Erarbeitung des Lebensziels dieser Person an, über Szenenziele wird man detaillierter. Man baut damit einen komplexen Menschen nach. Wir haben alle so etwas wie ein Gesamtziel im Leben, wonach wir permanent streben und unsere Entscheidungen ausrichten. Auch wenn es uns vielleicht nicht bewusst ist. Das kann z.B. Unabhängigkeit sein. Oder jemand anderes strebt danach, eine Familie zu gründen und zu haben.

Und dann gibt es eben noch die Möglichkeit Tools zu nutzen, um eine bestimmte Emotion aufzurufen, wenn es eine Szene erfordert. Da sind wir nah am Method-Acting, bei dem du mit deinen eigenen Erfahrungen arbeitest. Du schaust, dass du das, was die Rolle durchmacht, auf dein Leben personalisierst. Wenn du einen Serienmörder spielst, musst du aber natürlich nicht selbst zum Serienmörder oder Serienmörderin werden, sondern du fragst: was für ein Bedürfnis steckt dahinter? Wo ist der Ursprung dieses Killers?

Beispiel: Er hat sich eventuell in der Kindheit komplett hilflos und gedemütigt gefühlt und strebt nun nach Wiedergutmachung und will sich seine Macht zurückholen. Und wann hast du dich vielleicht mal komplett hilflos und gedemütigt gefühlt? Das kann beispielsweise ein fieser Lehrer in der Schule gewesen sein. Dann nimmst du dieses echte Gefühl und legst es als Layer unter den Text der Rolle.


Constanze Vogt: Über Method-Acting las man kürzlich einiges. Joaquin Phoenix hat sich so auf die Rolle des Jokers vorbereitet. Über Heath Ledger sagt man, dass ihn diese Methode zu Grunde gerichtet hat.


Cosma Dujat: Genau, deswegen bin ich gar kein Fan von Method-Acting. Also mit Sicherheit liegt es auch in der Anlage der einzelnen Personen, inwiefern sie sich in etwas reinbegeben, aus dem sie nicht mehr rauskommen. Aber beim Method-Acting kramst du auch in Gefühlen, die eigentlich schon gut abgeschlossen waren. Du kramst alle Traumata wieder hoch, selbst wenn du schon jahrelang Therapie gemacht hast und eigentlich alles schon gut abgeschlossen hattest. Das heißt du reproduzierst diese furchtbaren Gefühle permanent und im Prinzip retraumatisierst du dich damit die ganze Zeit selber. Method-Acting gibt auch keine Lösung, sondern es geht einfach darum: geh in das Gefühl und durchleb das nochmal!

Für mich geht es aber darum ein Gefühl zu nehmen, was da ist, was mich ohnehin gerade beschäftigt. Und dann kann der Klient oder die Klientin im Coaching so handeln, wie er oder sie es sich gewünscht hätte, aber es nicht konnte.


Constanze Vogt: Das heißt?


Cosma Dujat: Das ist auch wieder so ein bisschen wie in der Therapie. Du gehst an einen Punkt zurück, in dem du ein Verhalten gezeigt hast, was problematisch war. Und im Coaching erlebst du die Szene nochmal, kannst dich aber entscheiden anders zu handeln oder herausfinden, wie du lieber gehandelt hättest. Dir wird klar, wie es sich dann anfühlt. Und das hat etwas sehr Heilsames.

Ich sag meinen Schauspielern und Schauspielerinnen immer, sie sollen von ihren Rollen lernen. Die Rollen können es immer anders machen als wir es in echt geschafft haben.


Constanze Vogt: Und welche Erfahrung hast du mit deinen Klienten gemacht, bedarf es besonderer Hilfestellung oder Rituale, um aus dem Gefühl der Rolle wieder raus zu kommen?


Cosma Dujat: Ja, manchmal schon. Dem Körper ist es ja erstmal egal, ob eine Angst nur eingebildet ist oder nicht. Der Körper fühlt diese Angst. Deswegen müssen wir in der Rolle immer einen Start und ein Ende finden. Und hinterher müssen wir auch sehr gut und fürsorglich mit uns sein. Dem Körper sagen: So, ich lege die Rolle ab, es ist wieder alles in Ordnung, ich habe alles im Griff. Atemübungen etc.


Constanze Vogt: Und wie nutzt diese Methode mit Nicht-Schauspieler*innen?


Cosma Dujat: Da nutze ich auch einzelne Schritte daraus. Also wenn zum Beispiel jemand eine Präsentation vorbereitet, erarbeiten wir das Szenenziel. Also die Frage, was will diese Person erreichen. Nicht nur, was ist der Text. Sondern wer ist der Adressat? Die Adressatin? Wofür willst du wahrgenommen werden? Möchtest du souverän wirken? Möchtest du locker und cool wirken? Und dann arbeiten wir mit Übungen daran.


Constanze Vogt: Was ist es, was die Kombination von Schauspielerei und Psychologie so interessant macht?


Cosma Dujat: Beide Seiten profitieren von einander. Die Schauspieler profitieren von der psychologischen Arbeit und die, die psychologisch arbeiten wollen, profitieren von der Schauspielerei. Das ist die beste Verbindung zwischen Körperwahrnehmung aus der klassischen Schauspielausbildung, wie Stimme, Atmung, Körperübungen, Aufrichtung etc. und dem Wissen darum, wie mentale Einstellungen und Glaubenssätze funktionieren. Jemand, der sich nicht auch mit dem Körper befasst, der weiß vielleicht gar nicht, wann er wo angespannt ist, wie er die Schultern wann hält, wo die Bruststimme sitzt etc. Und das ist aber absolut hilfreich.


Constanze Vogt: Würdest du sagen, dass deine Methoden als Coach auch Einfluss auf dich selbst haben?


Cosma Dujat: (überlegt) Ja bestimmt hat es das. Natürlich habe ich mich auch gefragt, was ist denn mein Lebensziel? Und was ist denn mein Szenenziel? Denn jede Entscheidung, die ich treffe, die hat genau damit etwas zu tun. Die treffe ich nämlich so, wie ich sie treffe, weil ich glaube, dass ich danach glücklicher bin. Keiner von uns entscheidet sich dafür, unglücklich zu werden. Also manchmal passiert es zwar, dass wir nach einer Entscheidung unglücklicher sind. Es stellt sich raus, die Entscheidung war nicht gut für uns. Aber der Wunsch vor einer Entscheidung ist ja erstmal immer, dass es danach besser geht.

Und das ist schon spannend, dann auch bei einem selbst zu gucken: aha, was ist da jetzt bei mir der Mechanismus, der da greift? Und wenn man das rausgefunden hat, dann wirkt alles einfach und logisch.

Mal ein Beispiel: Du bist einfach ein anderer Typ Mensch, wenn du dich dafür entscheidest, Bankvorstand zu werden als wenn du dich dafür entscheidest Erzieher oder Erzieherin zu werden. Genauso wenn du Ärztin wirst: Wenn du dich dafür entscheidest, musst du ein richtig heftiges Studium in Kauf nehmen und das auch mit einer Art von Erfolg verknüpfen. Und da kann man dann wieder die Rollen von ableiten. Also wenn man eine Ärztin spielt, zu überlegen, ok, was hat die in ihrem Leben schon alles in Kauf genommen, welche Entscheidungen hat sie getroffen und dann wird sie in der Szene vermutlich eher so und so sein und nicht wie die Erzieherin z.B.


Constanze Vogt: Du als Profi, was ist deine Meinung zur Schauspielkunst in der deutschen Fernseh- und Theaterlandschaft?


Cosma Dujat: Na ja, ich würde mir schon oft wünschen, weniger die Leidenden zu sehen. Ich will ja Rollen sehen, mit denen ich mich identifizieren kann, von denen ich etwas lernen kann. Das heißt nicht, dass nicht geweint wird. Die Rollen sind ja so geschrieben wie sie geschrieben sind. Aber was ist der Antrieb dahinter? Wenn die Schauspieler und Schauspielerinnen verstehen, was der Antrieb ihrer Rolle ist, was steckt dahinter, warum ist die so, womit hat sie zu kämpfen, welche Hindernisse überwindet sie gerade, dann gehen sie in Verbindung mit der Rolle und lernen von ihr und ich als Zuschauerin bin begeistert und fiebere mit.

In Deutschland gibt es viele gute Schauspieler und Schauspielerinnen, auch ein paar gute Produktionen, aber was halt auf die Qualität schlägt, ist der Zeitdruck. Wenn du zehn Minuten für eine Szene hast, aber eigentlich erst mal reinkommen musst, dann ist das im Ergebnis zu sehen.

Und man sieht auch sofort, ob ein Film z.B. aus Skandinavien oder aus den USA kommt, wo auch Methoden, wie die von Ivana Chubbuck, viel verbreiteter sind. Das fände ich ziemlich cool, wenn wir in Deutschland auch dahin kommen, unseren Figuren noch mehr Stärke zu geben und nicht immer dieses Leidende.


Constanze Vogt: Gibt es im deutschsprachigen Raum Schauspieler oder Schauspielerinnen, die du richtig gut findest?


Cosma Dujat: Also wer richtig gut spielt, das sind eigentlich alle aus der Serie Bad Banks. Und die leiden ja auch alle, aber die sind dabei wahnsinnig nach vorne ausgerichtet, kämpferisch und mächtig. Und das liegt daran, wie sie mit ihren Rollen umgehen. Dass sie die richtig verstanden haben und für sie kämpfen.


Constanze Vogt: Vielen Dank, Cosma.


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